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Landwirt des Jahres: Benedikt Bösel im Interview

Ursprünglich ein Investmentbanker, fungiert der 38-Jährige seit 2016 als Experimentator, Forscher, Entdecker und Landwirt in einer Person. Auf seinem 3.000 Hektar großen Betrieb widmet er sich nun dem Ackerbau sowie der Vieh- und Forstwirtschaft. Um alle Informationen und Erkenntnisse seines vielseitigen landwirtschaftlichen Konzepts mit wissenschaftlichen Partnern, anderen Landwirten und aufstrebenden Jungunternehmen zu teilen, gründete er die Finck Stiftung. Im Interview gibt er Einblick in seine Ziele und Zukunftsvisionen.

Wie würde Ihre landwirtschaftliche Welt im besten Fall aussehen?

Das Ökosystem einer sinnstiftenden Landwirtschaft, die gut schmeckende Lebensmittel produziert, müsste an die jeweiligen Voraussetzungen und Eigenschaften des Standorts angepasst sein, wie zum Beispiel den Nährstoffgehalt des Bodens oder die vorherrschenden Wetterbedingungen. Das A und O unserer landwirtschaftlichen Produktionssysteme sollten neben der Erzeugung von hochwertigen Lebensmitteln die Verbesserung des Bodens sein, die Förderung der Biodiversität, der tiergerechte Umgang mit dem Nutzvieh und die Stärkung der soziokulturellen Struktur der Region, sodass es den Menschen, die dort leben, gut geht. Und das alles bei einem ordentlichen Einkommen der landwirtschaftlichen Betreiber und deren nachfolgenden Generationen.

Sie betreiben Tierhaltung, Ackerbau und Forstwirtschaft und beschreiten dabei neue Wege. Können Sie ein paar Beispiele nennen?

Mein Team und ich wollen weg von der klassischen Aufteilung und dem Setzen von betrieblichen Schwerpunkten, und wir wollen hin zu einem multifunktionalen Gesamtkonstrukt. Wir wollen Kreisläufe schließen. Ein Beispiel: Wir bauen Agroforststreifen aus 60 verschiedenen Obstsorten, 30 Nuss- und Beerensorten an und erforschen, wie sich damit die Humusentwicklung und Wasserbindung im Boden beeinflussen lassen. Und wir säen Unter- und Zwischenfrüchte auf den Feldern aus und lassen die Tiere ganzjährig draußen weiden. Diese fressen die Zwischenfrüchte, wodurch wir wiederum Futterkosten einsparen. Oder wir probieren aus, wie wir durch Kompostierung die im brandenburgischen Alt Madlitz sehr sandigen Böden mit mehr Mikroorganismen versorgen können. All das wird zu einem betrieblichen System, wo jeder Teil positive Einflüsse auf den anderen hat.

Kühe gelten in öffentlichen Diskussionen oft als Klimakiller. Wie sehen Sie das?

Das ist ein Urteil, das völlig zu Unrecht besteht. Für mich haben Rinder auf unseren Äckern die Funktion von Humusaufbau, Fotosyntheseerhöhung, Nutzung des natürlichen Futters, Nährstoffkreislaufschließung, Wasserspeicherung im Boden, und am Ende, quasi als Beiprodukt, steht das hochwertige Fleisch. Wir bewerten die Kuh also nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem, was sie alles an positiven Funktionen für uns übernimmt.

Für mich ist die Kuh unter anderem ein wesentlicher Treiber für die Verbesserung des Klimas sowie ein Aktivator des Wasserzyklus, um den Planeten abzukühlen. Außerdem frisst sie Nahrung, die wir Menschen als Lebensmittel gar nicht verwerten könnten. Die Kuh ist nicht das Problem, da haben wir ganz andere Herausforderungen.

Wie können andere landwirtschaftliche Betriebe von Ihren Erfahrungen profitieren?

Es gibt keine universelle Lösung für alle landwirtschaftlichen Herausforderungen. Was in unserem Betrieb richtig ist, kann auf einem anderen Hof vielleicht nicht funktionieren. Wichtig ist, darauf zu schauen, wie die Natur reagiert und welche natürlichen Regeln an einem Standort herrschen. Vor zwei Jahren habe ich eine Stiftung gegründet, damit wir all unsere wissenschaftlichen Daten und Erkenntnisse anderen Forschern, Landwirten und jungen Unternehmern zur Verfügung stellen können, damit sie diese für sich nutzen und daraus lernen können. Wir haben rund 3000 Besucher pro Jahr. 90 Prozent der Landwirte erkennen zum Beispiel an, dass Agroforst Sinn macht. Wir benötigen aber noch etwa fünf Jahre, bis wir unsere ganzen Ergebnisse bis hin zur Ertragsseite ausgewertet haben. Im März kommt mein erstes Buch heraus. Es heißt „Rebellen der Erde – Wie wir den Boden retten und damit uns selbst!“

Wie sehen Ihre Ziele aus?

Wir müssen vom Bekämpfen der Symptome durch Technologie abkommen und hin zur Veränderung unserer Systeme, um die Kernursachen zu verändern. Etwas auszuprobieren ist Kern der Landwirtschaft, und nur so können wir uns der Natur annähern. Auf meinem Betrieb suchen wir profitable Geschäftsmodelle, die im Einklang mit dem Ökosystem stehen. Außerdem wollen wir aufzeigen, wie ausgesprochen wichtig die Landwirtschaft ist. Denn nur sie kann alles: das Klima schützen, die Mittel produzieren, die wir zum Leben benötigen, und die Artenvielfalt steigern. Ich bin davon überzeugt, dass die Landwirtschaft einen großen Zulauf erfahren wird. Aber sie benötigt Wertschätzung und Respekt.

Haben Sie Ihren Jobwechsel bereut?

Als ich bei der Bank war, dachte ich, ich hätte gelernt zu arbeiten. Als ich als Landwirt anfing, dachte ich mir, jetzt weiß ich, was Arbeit ist. Ich kenne das Gefühl, im trockenen Brandenburg Landwirt zu sein. Ich habe schlaflose Nächte, wenn es ewig nicht regnet und unsere Kiefernmonokultur eine tickende Zeitbombe ist. Aber ich bereue es keine Sekunde. Ich bin genau dort, wo ich hingehöre. Die Landwirtschaft ist der direkteste Hebel, um die großen Probleme unserer Zeit zu lösen.

Dieses Interview und weitere Informationen zum Thema „Nachhaltige Landwirtschaft“ finden Sie auf der Website und im Magazin Stadt.Land.Wissen unseres Kooperationspartners Forum Moderne Landwirtschaft unter www.moderne-landwirtschaft.de.

Benedikt Bösel

Benedikt Bösel. © Timo Jaworr

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